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Regisseurin Karen Breece aus Dachau beschäftigt sich in ihrem neuen Stück mit dem Thema Sexarbeit und Prostitution. Die Besucher der Premiere waren bewegt – und vor allem tief beeindruckt.
Dachau/München – „Am Ende steht man wieder bei Null.“ Dieser Satz erwies sich als fast richtig. Denn alle Fragen der beiden Prostituierten bleiben unbeantwortet. Es gibt keine Lösung. Der Vorhang fällt.
Besucher: betroffen, nachdenklich, bewegt, verstört. Genau das wollte Dachau-Direktorin Karen Breece erreichen. „Nachdenklich machen“, über das Tabuthema Prostitution und Sexarbeit. Das besondere Stück „Love for Sale“, eine Kombination aus Schauspiel und Diskussion, feierte am Samstag im Münchner HochX-Theater eine große Premiere.
Prostitution hat viele Gesichter. Karen Breece lässt die Protagonisten, Betroffenen und Experten zu Wort kommen. Die Musikerin Angela Aux und die beiden Schauspielerinnen Lisa Marie Stojčev und Mara Widmann umrahmen das Stück, rezitieren und stellen Fragen: zum Beispiel an Anna Schreiber, eine ehemalige Prostituierte. Freiwillige Prostitution sei ein Märchen, sagt sie. Und: “Prostitution ist als Geld getarnte Gewalt.”
Stefanie Klee, Sexualassistentin, sagt: „Sexualität hört nicht in einem bestimmten Alter oder beim Eintritt in ein Seniorenheim auf.“ In einem Videoausschnitt erzählt sie von ihrer Arbeit. Und er fordert die Politik auf, den Beruf der Sexarbeiterin in die Normalität des Wirtschaftslebens einzuführen – und dadurch mehr Wertschätzung und Achtung zu erfahren.
Auf der Aufnahme sind zwei Prostituierte zu hören. Emma, Mitte 40, alleinerziehend, macht diesen Job seit 20 Jahren: „Es wäre toll, wenn es ein anerkannter Beruf wäre, wenn man neben dem Job eine Wohnung und eine Krankenversicherung hätte. Sie sind bereits stigmatisiert.”
Der Verehrer wurde mit den Worten zitiert: „Ich habe das Gefühl, dass sie das gerne tun. Und das gerne.“ Und die andere Hure: „Wenn du dachtest, ich wäre jemals so, dann irrst du dich.“ Sie redet von ausgetrocknetem Selbstwertgefühl, Demütigung, „dass ich nichts mehr wert bin.“
Dr. Wolfgang Heide, Gynäkologe aus Heidelberg, betreut und behandelt ehrenamtlich Prostituierte. „Zehn bis 15 Kunden am Tag, Frauen tun weh, tun weh, tun weh.“ Prostitution ist würdelos, erniedrigend, eine Verletzung der Menschenrechte. Er fordert die Anwendung aller möglichen gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Frau.
Breece stellt Fragen wie: Wann beginnt die Ausbeutung?
Samuel Flach ist der letzte „Alltagsexperte“ der Szene. Seit einem Unfall vor zehn Jahren sitzt er im Rollstuhl. Er sagt, er sehne sich wie alle anderen nach Umarmungen und Berührungen. Sex mit einer Prostituierten? Einmal rief er einen an und fragte, ob es für sie ein Problem sei, dass er im Rollstuhl sitze. Nein, sie kam. Dann wollte er nicht – es war nichts für ihn. Er wollte eine Umarmung von jemandem im Publikum und bekam sie. Großer Applaus.
Drei Stunden lang werden die Zuschauer mit Fragen konfrontiert. Zum Beispiel: Was sagt die Beschäftigung mit Prostitution und Sexarbeit über uns und unsere Gesellschaft aus? Dazu das Gedicht: „Andere gehen immer ins Bordell.“ Was bedeutet es, seinen Körper als Ware zu nutzen und zu verkaufen? Bringt uns der Blick auf Sexarbeit oder Prostitution mehr Erkenntnisse? Über Machtstrukturen? Was ist Sexarbeit und was ist Prostitution? Was bedeutet Selbstbestimmung, wann beginnt Ausbeutung? Wann beginnt der Missbrauch?
Keine oberflächlichen Antworten. „Wir müssen diese Probleme ehrlicher und mutiger angehen“, sagt Karen Breece. Sie macht den ersten Schritt.
Weitere Vorstellungen finden heute, morgen und Mittwoch, 30. November, im Theater HochX, Entenbachstr. 37, in München statt. Tickets gibt es für 18 Euro (ermäßigt 10 Euro) unter www.theater-hochx.de/tickets.
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