
Neue Ziele statt alter Zöpfe
Das deutsche Geschäftsmodell muss umgebaut werden
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Containerschiff in der Nordsee: Wohin steuert die deutsche Wirtschaft? Forschung warnt und zeigt Auswege auf.
© Quelle: imago/Winfried Rothermel
München. Michael Böhmer sieht die Zeichen klar. „Die dauerhafte Deglobalisierung ist zu einem realen Szenario geworden“, sagt der Chefvolkswirt des Beratungsunternehmens Prognos. Dieser Trend ist nicht nur nach der Pandemie vorhanden. Der Experte stellt klar, dass der Außenhandel seit rund 15 Jahren kein Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft mehr ist und gleichzeitig der Binnenmarkt immer wichtiger wird. Das belegt er in der Studie zu den Überlebenschancen des Geschäftsmodells für Deutschland, die Prognos gemeinsam mit Experten der BayernLB erstellt hat. “Das deutsche Geschäftsmodell steht nicht vor dem Kollaps, aber es muss schnell und umfassend angepasst werden”, fordert Böhmer die Abkoppelung von China.
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Die Studie warnt davor, dass sich dieses Hauptziel vieler deutscher Exportunternehmen nicht nur politisch, sondern vor allem auch wirtschaftlich immer mehr verschließt. „China erlebt Rückschläge in der Globalisierung“, erklärt Böhmer. Hinzu kommen wachsende geopolitische Risiken, insbesondere im Verhältnis zwischen den USA und China, mit großem Bedrohungspotenzial für deutsche Unternehmen. Sie können immer noch glücklich sein, wenn sich die aktuellen Handelskonflikte und Spannungen nicht verschärfen. Wenn China jedoch Taiwan angreift, werden bestehende Lieferketten oft obsolet. Die Autoren der Studie warnen davor, dass sich dann neue regionale und sogar nationale Lieferketten entwickeln müssen, die unweigerlich Schockwellen durch die deutsche Wirtschaft schicken werden.
Deutschlands Wirtschaft wächst: 2022 wuchs das BIP um 1,9 Prozent
Trotz des Gegenwinds des vergangenen Jahres ist die deutsche Wirtschaft nach der Corona-Krise weiter gereift.
© Quelle: dpa
Nur eine Vorhersage zukünftiger Probleme
Darauf ist es wichtig, sich aktiv und schnell vorzubereiten. In Deutschland sind Lieferschwierigkeiten aufgrund von Pandemien oder Verknappung von Medikamenten oder Halbleitern nur ein Vorbote zukünftiger Probleme. Prognos und BayernLB empfehlen drei Vorgehensweisen, um sich auf Bedrohungsszenarien vorzubereiten.
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Einerseits muss sich die deutsche Exportwirtschaft auf andere Technologien als bisher konzentrieren. Denn obwohl die Globalisierung generell auf dem Rückzug ist, gibt es immer noch Bereiche, in denen das anders ist und auf absehbare Zeit so bleiben wird. Die Forschung zeigt beispielhaft Klima- und Umwelttechnologien, bei denen auch deutsche Unternehmen einiges zu bieten haben. Hinzu kommen Dienstleistungen in Form von Reparatur und Wartung. Das bedeutet vor allem moderne und digitale Formen, zum Beispiel durch Fernwartung. „Wir können nicht einfach jahrzehntelang Maschinen und Autos nach China exportieren“, begründet Böhmer den notwendigen Wandel.
Mehr EU, Vietnam oder Ägypten und weniger China lautet die Devise
Die zweite Richtung des veränderten Geschäftsmodells in Deutschland ist die Rückkehr in die EU und den eigenen Heimatmarkt. Europa ist mit einer halben Milliarde Verbraucher das Rückgrat der deutschen Exportwirtschaft und zudem geopolitisch stabil. Das ist ein Druckmittel, das die deutsche Wirtschaft stärker nutzen sollte.
Die dritte Empfehlung lautet, neue Märkte anzusprechen, die heute noch im Hintergrund stehen. Als Beispiele nennt Böhmer Vietnam, Brasilien, Ägypten und Kenia. Aber das ist keine Rückkehr zu den guten alten Zeiten. „Das Auslandsgeschäft ist weiter fragmentiert und von einem neuen China ist nichts zu spüren“, stellt der Ökonom klar. Diese Rückkehr zu neuen Märkten sollte von der Politik durch neue Handelsabkommen und Freihandelszonen unterstützt werden.
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Sie kann auch innerhalb des Landes neue Wachstumsimpulse setzen und durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien letztlich eine Energiewende ermöglichen. Sie wird auch die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien erhalten oder wiederherstellen. Böhmer räumt ein, dass 2022 ein Jahr im politischen Krisenmodus war. 2023 müssen Strategien umgesetzt werden, die der deutschen Wirtschaft eine krisenfeste Zukunft ermöglichen. Das unwahrscheinlichste aller Szenarien für Wirtschaftsforscher ist jedenfalls, dass die geopolitischen Spannungen in den nächsten Jahren verschwinden und die Weltwirtschaft auf den Pfad der Globalisierung zurückkehrt.