“Ein Gespräch, das nie aufhörte”: Kuratoren-Duo verändert Schubladendenken

Sie bringen mühelos die Kraft der Kunst zum Publikum. Für Sam Bardouil und Dill Felrath steckt harte Arbeit hinter dem federleichten künstlerischen Erlebnis. ntv.de traf das hippe Regisseur- und Kuratoren-Duo im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin.

Ihre Leidenschaft ist es, Kunst zu vermitteln – und zwar so, dass es jeder verstehen kann. Einfach, sofort. Als Gruppe stellen sie seit Jahrzehnten in den wichtigsten Museen der Welt aus, von Madrid über Paris bis Südkorea. Sie haben ihr Publikum in wichtigen künstlerischen Jahrzehnten dort und in Venedig und jetzt in Lyon in ihren Bann gezogen und viele Kritiker überzeugt. Seit knapp einem Jahr sind Sam Burdaville und Till Felrath die neuen Direktoren des „Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart“ in Berlin. Beide werden in den nächsten sieben Jahren zeigen, wie bereichernd es sein kann, Kunst zu erleben und zu genießen. Als Kuratoren vergleichen sie sich mit Regisseuren: unsichtbar auf der Leinwand, aber mit zentraler Funktion. “Man muss einen Schritt zurücktreten, Künstler machen Musik, keine Kuratoren”, sagt Felrath nachdenklich.

Beide machen ihren Beruf aus Leidenschaft und erklären ntv.de begeistert, was ein Kurator macht. Hinter dem Glanz ihrer Ausstellungskonzepte steckt viel Arbeit und Recherche. „Erstens ist der Inhalt wichtig, wir denken über Künstler, ihre Kunstwerke und Themen nach. Das zweite wichtige Element ist der Kontext, weil man nicht in einem Vakuum arbeitet. Es geht um Ort, Architektur, Geschichte. Einer Institution, einer Stadt, “, sagt Bardaul. Die Liste der zu berücksichtigenden Punkte lässt sich beliebig fortsetzen.

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Dan Flavins aufwändige Lichtinstallation im Hamburger Bahnhof ist derzeit aus.

(Foto: David Van Becker)

Native Lebanon benennt Kommunikation als dritte Säule. So können Inhalt und Kontext ineinander fließen: „Wir recherchieren in alle Richtungen und in die Tiefe, führen viele Diskussionen, bringen Menschen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Vorstellungen und Identitäten zusammen. Am Ende machen wir etwas sehr Komplexes ganz einfach.“ . Zugang. Diese Einfachheit sollte die Menschen begeistern, während die Komplexität im Hintergrund bleibt. ” Das heißt aber nicht, dass der Betrachter nicht tiefer gehen kann: „Der Betrachter hat das Recht, alles über ein Werk zu wissen, auch kritische Fragen. Aber man muss schließlich nicht alles wissen, um ein Kunstwerk zu verstehen“, sagt Felrath. Er gilt als der rationale Teil, während sein Begleiter als der emotionalere Teil gilt.

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Es geht nicht um das Ego

Wie sieht es aus, wenn Ihre Arbeit keinen gemeinsamen Nenner hat? Wie sie Kunst betrachten, hat eine große Überwölbung, die mühelos konsistent erscheint. Trotzdem sehen sie sich als egozentrische Individuen und nicht als Verbündete. Beide haben unterschiedliche Energien. Es werde gekämpft, aber am Ende zähle “der Konsens, nicht knappe Mehrheiten. Polarisierung bringt nichts”, sagt Felrath. Und Bardaouil ergänzt: „Bei unserer Arbeit geht es nicht um das eigene Ego, sondern um Ausstellungen und Institutionen. Da kann ich einem Wunschdenken komplett widersprechen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir das hier im Museum Hamburger Sharing Station mit so viel Leidenschaft machen.“ Die Mannschaft.”

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Die gigantischen biologischen Strukturen von Eva Fàbregas ziehen noch immer das Publikum der Lyon Biennale in ihren Bann und werden demnächst im Museum Hamburger Bahnhof zu sehen sein.

(Foto: Blaise Adillon)

Von ihrem Büro aus blicken sie auf die coolen Bürotürme des Berliner Hauptbahnhofs. An drei raumfüllenden Schreibtischen herrscht kreatives Chaos. Ein Tagebuch an der Wand geht über das kommende Jahr hinaus. Kunstwerke findet man hier nur in Büchern. Das Bücherregal ist noch von seinem Vorgänger bestückt. Zeit ist für sie ein knappes Gut. Denn sie haben in diesem Jahr nicht nur die Leitung des Hamburger Bahnhofs übernommen, sondern sich auch der Steuerung des französischen Pavillons auf der Biennale in Venedig und der 16. Ausgabe der Art Biennale in Lyon verschrieben. Obwohl beide erfolgreich waren, machten einige andere Hurrikane dafür verantwortlich und konzentrierten sich weniger auf Berlin. Felrath verneinte das schmunzelnd: „Wir arbeiten zu zweit, also kann einer in Berlin sein, der andere in Venedig, Lyon oder wo auch immer arbeitet. Am Ende teilen wir uns einen Raum. Das Model hat einen gewissen Charme und unterschiedliche Perspektiven.“ können hier kombiniert werden.” Sie haben Ihren Wohnsitz inzwischen nach Berlin verlegt und machen weniger Outdoor-Projekte.

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Schnittstelle einer Stadt

Ihre Wege kreuzten sich Anfang der 2000er Jahre in New York mit den Wegen der Kunst. „An einem Projekt, das nie zustande kam“, sind sich beide lachend einig. Seitdem unterhalten sie sich, sagt Bardaul, „ein ständiges Gespräch, das nie endet“. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Performancekunst zog er von Dubai nach New York, wo er unterrichtete. Felrath machte eine Pause von einer Kunstschule und betrieb später ein kleines Museum. „Kunst war schon immer ein komplettes Steckenpferd“, sagt der gebürtige Deutsche, der Wirtschafts- und Politikwissenschaften studiert hat. 2009 gründeten sie das Unternehmen Art Reoriented, mit dem sie weltweit neu entwickelte kuratorische Konzepte umsetzen. Der Fokus liegt auf den Ländern des Nahen Ostens. Sie überbrücken gerne Grenzen und wirken Stereotypen entgegen. Ihre unterschiedlichen kulturellen Wurzeln und Bildungshintergründe schaffen die perfekte Synergie für ihre Zusammenarbeit. Bardaouil und Fellrath sind gerne neugierig und unterwegs. Sie schätzen die Herausforderung, deshalb liegt ihr Hauptaugenmerk jetzt auf dem Museum in Berlin.

Das Haus, in dem sie arbeiten, liegt an einer Kreuzung in der Stadt – im Osten und irgendwie nah im Westen. Natürlich mitten in Berlin. 1846 diente das klassizistische Gebäude als Bahnhof. Später wurde es zum Verkehrs- und Technikmuseum und zeigt seit 1996 in luftigen Hallen und Räumen, was zeitgenössische Kunst leisten kann. Wie kommt man von einer Gruppe gefragter Kuratoren in einen Vorstand? „Durch die Bewerbung wird die Stelle ganz nebenbei ausgeschrieben. Der Schritt ist gar nicht so groß, wie man vielleicht denkt“, sagt Felrath. „Wir haben weltweit mit mehr als 70 Unternehmen zusammengearbeitet. Wir kennen also viele Unternehmensmodelle mit ihren Stärken und ihren Problemen.“

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Ein Museum ohne Türen

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Die Filmsammlung „Dreams Have No Titles“ der Künstlerin Zineb Chedira war ein Hit auf der diesjährigen Kunstbiennale in Venedig und gastiert ab Februar in Berlin.

(Foto: Geneb Chedra)

Vor wenigen Wochen haben sie das größte Hindernis für eine ungestörte Arbeit am Hamburger Bahnhof aus dem Weg geräumt: Bei ihrem Amtsantritt drohten dem Gebäude und den angrenzenden Reichshallen der Abriss. Eine chaotische Geschichte aus der deutschen und Berliner Kulturpolitik hat nun ein Happy End: Das Museum darf bleiben. Jetzt können sie Ausstellungen mit eigener Handschrift zeigen. Voller Idealismus wollen sie, dass das Museum unter ihrer Führung zu einem Anker nicht nur für Kunstliebhaber wird. Also raus aus der Schublade – es gibt ein Museum für alle. Und für diejenigen, die sich nicht über die Schwelle des Kunsttempels trauen.

Die Vision kann gewinnen, weil die Schönheit einer Ausstellung im Bauch zu spüren ist, sagt Bardaul. Die physische Erfahrung von Kunst ist wichtig. Dies ist keine Interpretation der Kunst. Ein Kunstwerk, das dreidimensional in einem Raum zu sehen und zu erleben ist, kann zum Umdenken anregen. Wie viel Schönheit und Politik passen in eine Ausstellung? „Man sollte das Artwork nicht mit zu vielen Ideen überfrachten“, stimmt Bardaul zu. Felrath ergänzt: „Wir überlegen erst, welche Kunstwerke in der Ausstellung gezeigt werden, und dann wollen wir ein möglichst breites Publikum überraschen.“ So entstehen ihre sinnlichen und zugleich anspruchsvollen Ausstellungen. Wenn jemand “etwas Dummes sieht, nimmt man es in Kauf. Das ist uns lieber als Arbeit, die nicht verstanden wird.”

Hamburger Bahnhof – Aktuelle NationalgalerieInvalidenstraße 50-51, 10557 Berlin

Bis 31. Dezember Biennale für zeitgenössische Kunst Lyon “Minifesto of Fragility”. Alle Informationen hier

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