Drei Manager angeklagt: Darum geht es im Wirecard-Prozess


FAQ

Stand: 08.12.2022 10:11

Im Juni 2020 ging Wirecard unter. Sachwerte im Wert von über 20 Milliarden Euro wurden zerstört. Wie ist das passiert? Nun hat unter anderem der Prozess gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Braun begonnen.

Autoren: Arne Meyer-Fünffinger und Josef Streule, BR

Wer wird angeklagt?

Angeklagt sind drei ehemalige Wirecard-Manager: Ex-CEO Markus Braun und Ex-Geschäftsführer der Wirecard-Filiale Dubai, Oliver Bellenhaus. Zudem sitzt auch der frühere Chefbuchhalter des Zahlungsdienstleisters auf der Anklagebank. Schon jetzt ist absehbar, dass Braun und Bellenhaus die zentralen Gegner in diesem Prozess sein werden.

Darunter ist umstritten, ob es wesentliche Teile des Wirecard-Geschäfts, das sogenannte Drittgeschäft, gab. Beispielsweise wickelten Drittpartner Kreditkartenzahlungen für Wirecard in Asien ab. Um diese Zahlungen finanziell abzusichern, sollen die Treuhänder das Geld für Wirecard auf den Konten halten.

Sabina Wolf, BR, beim Auftakt des Wirecard-Prozesses in München

Morning Magazine, 8. Dezember 2022

Im Kreuzverhör sagte Bellenhaus aus, dass es diesen Job nicht gebe. Er gilt nun als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Im Gegensatz dazu behauptet die Verteidigung von Brown, sie habe Beweise für die Existenz dieses Deals. Eine Bande um den flüchtigen Ex-Chef Jan Marsalek soll von dort Geld durch die vertrackten Strukturen des Unternehmens ins Ausland geschmuggelt haben. Braun und Wirecard sind demnach Opfer dieser Bande.

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Was wirft die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vor?

Die Erste Staatsanwaltschaft München wirft den Angeklagten vor, die Bilanz von Wirecard seit 2015 falsch dargestellt zu haben, Marktmanipulation, Untreue und Betrug an Handelskonzernen. Die drei sollen Wirecard in der Öffentlichkeit als „schnell wachsendes, höchst erfolgreiches FinTech-Unternehmen“ präsentiert haben – auch mit Hilfe des Unternehmens, zu dessen Drittpartnern Payeasy (Manila, Philippinen) und Al Alam (Dubai, Vereinigte Arabische Emirate ) für Wirecard in Asien abgewickelt.

Um Online-Kartenzahlungen von Drittpartnern finanziell abzusichern, sollen schließlich 1,9 Milliarden Euro auf philippinischen Treuhandkonten gehalten werden. Aber: Da es dieses Geschäft wohl nicht gegeben hat, hat es diese 1,9 Milliarden Euro auch nie gegeben. Zu diesem Schluss kam neben der Staatsanwaltschaft auch Insolvenzverwalter Michael Jaffé.

Ohne Berücksichtigung der angeblichen Umsätze und Gewinne aus Drittgeschäften würde Wirecard in die roten Zahlen geraten. Dadurch würden Anleger, Banken und Kleinanleger kaum so viel Geld in einen Zahlungsdienstleister investieren. Die Insolvenz von Wirecard vernichtete Vermögenswerte im Wert von mehr als 20 Milliarden Euro.

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Welche Rolle spielt der flüchtige Ex-CEO Marsalek?

Jan Marsalek gilt als zentrale Figur in diesem Skandal. Das Problem ist, dass er am Abend des 19. Juni 2020 von einem kleinen Flughafen bei Wien in Richtung Minsk geflohen ist. Lokale Behörden verdächtigen ihn nun in Russland. Dort ist er für sie nicht greifbar.

Als Vorstandsmitglied war Marsalek für den Umgang mit Dritten zuständig. Er war auch für den asiatischen Raum zuständig, wo die zentralen Strafprozesse von Wirecard vermutet werden. Bis Marsalek wieder auftaucht, dürfte es schwierig werden, zentrale Fragen zu diesem Skandal zu klären.

Was macht dieses Verfahren so besonders?

Einerseits fällt der Höhepunkt: Erstmals muss Braun, der frühere Vorstandsvorsitzende des insolventen DAX-Konzerns, auf der Anklagebank Platz nehmen. Braun ist seit 2002 Chefsessel bei Wirecard. Er führte das Unternehmen in den DAX ein, einem Index der 30 wertvollsten und größten Unternehmen Deutschlands mit knapp 6.000 Mitarbeitern. Zum Vergleich: Dax-Konzerne wie Volkswagen oder Siemens hatten damals mehrere hunderttausend Mitarbeiter. Bedenkt man, dass auch Wirecard über eine Übernahme der Deutschen Bank nachdachte, dann wird der Rückgang noch deutlicher.

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Andererseits weist das Gericht darauf hin, dass das Verfahren aufgrund der großen Menge an Papieren, die die Beteiligten zu bearbeiten haben, besonders zeitintensiv ist. Mittlerweile sind fast 900 Aktenordner zusammengekommen. Komplex ist das Verfahren auch durch die Vielzahl an Schauplätzen im In- und Ausland: Dubai, Manila, Singapur, Aschheim, die Zentrale des Zahlungsdienstleisters, sind wichtige Schauplätze dieses Skandals.

Wie lange dauert der Prozess?

Fest steht: 100 Probetage sind geplant, zunächst bis Ende nächsten Jahres. Aus dem vom Oberlandesgericht München veröffentlichten Zeitplan geht hervor, dass die organisatorischen Vorbereitungen für 2024 bereits abgeschlossen sind. Wann die Entscheidung fällt, ist noch unklar.

Klar ist auch, dass es in diesem Prozess um eine strafrechtliche Untersuchung und die Verantwortung der drei Angeklagten für die Wirecard-Affäre geht. Die Ermittlungen gegen weitere Verdächtige dauern an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zudem in weiteren Sachverhalten, darunter Geldwäschevorwürfe. Insofern wird dieses Verfahren die Wirecard-Thematik noch nicht beenden. Die Frage einer möglichen Entschädigung von Anlegern und Gläubigern wird in anderen Verfahren geklärt.

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